Foto: Dirk Mathesius

Good before it was cool

Happy Birthday, SchröSchö 🧡

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tl;dr 1990 Agentur gegründet, immer nur Sachen gemacht, die man selbst cool fand, mit Leuten, mit denen man gern zusammen war, Glück gehabt, hungrig und dumm geblieben, Agentur nicht verkauft, Abschiede gefeiert, Türen offen gehalten, Wiedersehen gefeiert, in Würde gealtert, jungen Leuten vertraut, über den Tellerrand geschaut, Neues entdeckt, schwupps, 30 Jahre vorbei. #schroeschoexxx

Da stehe ich. Auf der Mauer. An einem kalten Novembertag in Berlin. Um mich herum jubeln die Menschen. Es ist 1989. Gerade habe ich im Alter von 24 Jahren meinen ersten festen Job gekündigt und mache mich mit meiner Kollegin Grit Schröder Anfang des Jahres selbständig.

Wir haben wie alle keine Ahnung, wussten aber, dass sich die Zeiten änderten und unsere Zeit gekommen war. Die 90er standen vor der Tür.

Der Mauerfall war ursprünglich nicht Teil des Businessplans, erwies sich aber als günstig für das, was wir machen wollten. Berlin war bis dato nicht die erste Wahl für Agenturen, Medien, PR-Events. Doch in Berlin wird Geschichte geschrieben und genau diese Geschichte, in der wir gerade spielten, sollte uns in den nächsten zehn Jahren alles frei Haus auf unseren Schreibtisch spülen: Hippness und Coolness, Musik, Medien, Celebrities — und Kunden (“Kein Problem, wir kommen zu Euch, muss eh mal wieder nach Berlin.”).

Fast forward. 30 Jahre Mauerfall. Mit 54 bin ich just zum ersten Mal Papa geworden und viele sagen, ich wäre Privatier. Ich habe versucht, meinen Zustand mit Begriffen wie “Work-Life-Blender” zu umschreiben, aber es stimmt: Die Hälfte meiner Zeit kann ich meiner Familie, Sport und Reisen widmen (am liebsten in dieser Kombination). In der anderen Hälfte der Zeit bin ich unstet, arbeite für meinen Verein, berate die Agenturen, an denen ich beteiligt bin, die Startups, die ich als Business Angel unterstütze, und helfe als Mentor jedem, der mich zum Essen einlädt.

Papa, wie war das eigentlich früher?

“Alles richtig gemacht”, höre ich oft. Aber wie eigentlich? Ich versuche mal, ein paar der Faktoren herauszuarbeiten. Schließlich gilt es immer, dass man aus der Geschichte etwas lernen soll. Da soll diese hier keine Ausnahme sein.

Aber zuerst muss Papa noch ein wenig von früher erzählen, vieles davon war schließlich historisch. Die Tage und Wochen nach der Wende. Noch waren wir angestellt und unsere Chefin Monika hatte eine verrückte Idee nach der anderen. Bereits Ende November ’89 produzierten wir “Neues Berlin”, eine Zeitung, die an den kommenden Wochenenden bis Weihnachten an den Übergängen von Ost- nach Westberlin verteilt wurde und dank Sponsoren wie Euromarkt (Rewe) und Kaisers den Weg zu westlicher Konsumvielfalt wies. Dann schaffte meine Chefin es, einen Weihnachtsbaum (geschmückt mit Sponsor-Logos) direkt auf dem Pariser Platz aufzustellen. Und schließlich organisierten wir noch die Hochzeit eines Westberliners mit einer Ostberlinerin am 14. Februar 1990 vor dem Brandenburger Tor unter dem Titel “Wedding Bells of Freedom” für ein US-Hochzeits-Magazin. Kann man sich nicht ausdenken (es gibt Beweise!). So ging PR in den 80ern. Eine Woche später bezogen wir unser eigenes Büro zur Untermiete im S-Bahnhof Witzleben (damals stillgelegt) gegenüber des ICC.

Ein Bahnhof, zwei Schreibtische, Telefon, Fax, Duden, Zimpel, Kaffeebecher — fertig ist die PR-Agentur für die 90er.

Aus der Geschichte lernen

Am 21. Februar ging’s los. Jung und naiv. Wie jede gute Agenturgründung. Wobei man nicht wirklich von einer Agentur sprechen konnte. Haben wir selbst auch nicht. Wir waren einfach zu zweit und selbständig. Wir druckten für Bündnis 90/Die Grüne das Parteiprogramm. Wir machten für einen Computerladen in der Schwedter Straße Design und Werbung. Wir schrieben für “Horizont”, die uns als Berliner Korrespondenten engagierten, Artikel für Zeilenhonorar. Später für die “w&v”. Und wir schrieben Konzepte für unsere ehemalige Chefin und ihre Agentur. Denn wir sind im Guten auseinandergegangen und so war sie im ersten Jahr der Gründung von “Grit Schröder und Gerald Schömbs GbR (Text, Consulting, Public Relations)” eine unserer wichtigsten Kunden.

“Schröder” (aka Grit Arndt) und Schömbs verstehen sich auch 30 Jahre später noch

Die Fähigkeit, sich in unterschiedlichsten Konstellationen — mal als Arbeitnehmer, mal als Kunde, als Dienstleister oder Freund — immer wieder begegnen zu können, weil man immer fair zueinander war, ist eines der wichtigsten Learnings für mich und sicherlich auch ein Erfolgsfaktor für das loyale und starke Netzwerk von Schröder+Schömbs PR heute.

Über die 90er und Berlin wurden glücklicherweise genug Geschichten geschrieben, da können wir schnell durchhecheln. Sind eh so viele Sachen, an die man sich nicht mehr erinnert. Wir waren dabei: Die MTV-EMA-Aftershow-Party im E-Werk, für Camel auf der Love Parade und für Frontpage mit Jürgen Laarmann auf Ibiza. Swatch, Alba Berlin, Adidas Streetball und Niketown-Eröffnung, VH-1, Hard Rock Cafe, Magic Johnson, Gap, New Yorker, Mustang und Marlboro (ja, das waren diese Zeiten).

Was soll man sagen …? Die 90er halt. (Fotos: Benno Kraehahn, Thomas Machowina, Arne Weychardt v.l.n.r.)

Fail early: Fast schon wieder vorbei, bevor es richtig losging

Aber Moment. Wie kommen die beiden aus dem Bahnhof plötzlich in das Industrieloft und firmieren als eine der angesagtesten Jugendmarketing-Agenturen? Glück, Zufall und reichlich Talent waren im Spiel. Ein Schlüsselereignis: Jemand kennt den örtlichen Basketballverein, die haben einen hochmotivierten neuen Manager frisch aus Stuttgart. Der Club braucht eigentlich Werbung und ein Programmheft, aber kurze Zeit später fragt Adidas, wer ihnen in der hippen Multikulti-Metropole Berlin 1992 bei einem Straßen-Basketball-Event helfen könnte — und werden an die beiden aus dem Bahnhof durchgereicht. Was folgte war eine der berühmtesten (und erfolgreichsten) Jugendmarketing-Kampagnen des Jahrzehnts “adidas Streetball”. Es folgten schon bald mit MTV und Swatch die nächsten Marken-Stars. Und der erste Dämpfer: Buchhaltung und Controlling war bei uns nur rudimentär ausgeprägt und in der Euphorie über den großen Adidas-Etat haben wir es mit dem Headcount leicht übertrieben. Das Konto war überzogen und wir stellten fest, dass wir Monat für Monat statt fetter Gewinne tausende Mark Verlust einfuhren — allerdings viel später erst als wir mal zum Nachzählen kamen. Zu allem Überfluss hatten wir noch die Teilnahmegebühren von tausenden Streetball-Teams über uns abgerechnet. Leider ohne zu beachten, dass darin Umsatzsteuer enthalten war, die wir nun — der Kunde war inzwischen weg — abführen mussten. Wir waren so gut wie bankrott.

Lass uns einen Adidas-Ball über Hammer und Sichel am Palast der Republik hängen

Tja, man hatte es uns gesagt. Buchhaltung sei wichtig. Und wer wollte wieder nicht hören, sondern durch Erfahrung lernen? Also werden wir es ebenfalls jedem Gründenden erzählen, auch wenn wir wissen, dass sie denselben Fehler trotzdem machen würden.

1997 schied Grit aus der Agentur aus. Kurz zuvor gründeten wir eine Event-Agentur mit unseren Produktions-Partnern Andreas Wegener und Elmar von Hoesslin, mit denen wir später fusionierten, wodurch Elmar schließlich mein neuer Partner wurde. Ich wollte nie Alleinherrscher sein, sondern habe mir immer (Gesellschafter-)Partner gewünscht, mit denen ich Ideen und Pläne teilen konnte und die die Dinge auch mal anders sahen. Das war mitunter frustrierend und mehr als einmal habe ich mir gewünscht, doch einfach König zu sein und bestimmen zu können. Schließlich sind immer nur Kompromisse auch nicht das Wahre. Aber wenn man sich vertraut und offen bleibt, kann das auch zielführend sein. Im Falle von Elmar hat es dazu geführt, dass nach rund acht Jahren unseres Bestehens aus der PR-Kunst, die wir mit Einsatz und Leidenschaft praktizierten, schließlich auch ein PR-Business wurde, das planvoll und schließlich profitabel geführt wurde. Das passierte genau zur rechten Zeit, denn 1999 und 2000 waren die fettesten Jahre, der Laden brummte und nur der Himmel war die Grenze.

Bis zum iPhone war es noch ein langer und mühsamer Weg.

Was Ende der 90er noch geschah: Ich beteiligte mich als Mentor-Partner bei Zucker.Kommunikation. Das Internet nahm Fahrt auf und wir hatten durch unsere Nachbarschaft mit Pixelpark einen Platz in der ersten Reihe. Mit der Deutschen Telekom kam 1999 unser längster Kunde, der bis heute geblieben ist. Wir zogen Anfang 2000 aus dem Loft in Moabit in die Torstraße an den Rosenthaler Platz und verhandelten gleichzeitig ernsthaft über einen Agenturverkauf an MS&L.

Dann kam 2001 alles anders.

Ende August feierten wir noch mit hunderten Freunden unser Zehnjähriges im Viktoria-Quartier (ja, ich weiß, ein Jahr zu spät), wenige Tage später schon war Schluss mit lustig. Erst platzte die Dotcom-Blase, dann passierte 9/11. Innerhalb kürzester Zeit mussten wir uns von der Hälfte unserer Mitarbeiter trennen und schrumpften auf ein Dutzend Leute zusammen. Gleichzeitig zum großen Weltgeschehen sorgte privat eine andere Katastrophe dafür, dass meine Welt komplett einstürzte (und ich wenige Monate später den Verein Freunde fürs Leben e.V. gründete).

Was tun? Im Business sind wir der Flaute mit radikaler Offenheit begegnet. Wir hatten Platz, also suchten wir uns Untermieter, denn die Räume sollten nicht verwaisen, sondern mit Leben gefüllt werden. Wir machten uns schlank, verhandelten mit den Kunden (oder sie mit uns, nämlich die Preise runter) und warteten auf die Brise.

Früher war es nur naiv: Das Gute gewinnt. Heute ist es nachhaltiges Unternehmertum.

Foto: Tom Wagner

Eine Stärke war schon immer unsere Unternehmens-Kultur gepaart mit nachhaltigem Handeln. Wir glaubten daran, dass das Gute gewinnt. Andersherum: Dass man nicht böse werden muss, um erfolgreich zu sein. Wir konnten mit dieser Portion Naivität leben und waren davon überzeugt, dass es langfristig eine gute Strategie sei. Wir waren nie Freunde von Profiten zu Lasten des Teams in Form von Überstunden und Nachtarbeit. Wir wussten schon früh, dass schlimme Kunden schlecht für die Agentur sind und haben mehr als einmal einen Etat gekündigt bevor Kollegen uns kündigten. Wir wollten Sachen machen, die uns interessierten, die Spaß machten und mit denen wir uns entwickeln konnten. Die Folge: Wir machten gute Arbeit, die Mitarbeiter bleiben überdurchschnittlich lange und ebenso die Kunden. Es gibt ein hohes Maß an Loyalität, unser Netzwerk — auch in der Branche — ist stark und unsere Kunden und andere Business-Opportunities kommen ausschließlich durch Weiterempfehlung.

It's a Family Affair

Sicherlich habe ich jetzt ein komplexes Thema, das deutlich mehr Raum bräuchte, nur stichwortartig abgehakt. Das aber gibt mir Gelegenheit, noch einen anderen Gedanken zu teilen: Wir haben immer schon den Kontakt und die Nähe zu anderen Agenturen gesucht. Wer mich kennt, weiß, dass ich selbst gern als Botschafter vorpresche. Das begann schon Mitte der 90er als wir einen Agentur-Verbund mit Namen “Family Affair” gründeten. Wir trafen uns mindestens einmal im Jahr reihum zu Workshops, die von größter Ehrlichkeit und Vertrautheit geprägt waren (ja, es war Alkohol im Spiel). Es gab durchaus Überschneidungen und der eine oder andere standen im Wettbewerb zueinander. Aber die Chancen überwogen das Element “Konkurrenz”: Wir lernten voneinander, unterstützten uns, wir hatten ein verlässliches Agenturnetzwerk und einen Haufen guter Freunde. Das habe ich von Elmar gelernt (neben dem wichtigen Satz “We cross that bridge when we come to it”): Die Menschen und Freundschaften sind nachhaltiger als Business und Konkurrenz.

Coopetition — was gut für andere ist, ist auch gut für uns. Und umgekehrt.

Aber es gibt auch einen Business-Aspekt, der rechtfertigt, dass man in einem Agenturmarkt an einem Strang zieht: Wir wollen uns gemeinsam weiterentwickeln, unsere Mitarbeiter, die Infrastruktur, den Standort und schließlich unsere Disziplin. Ein verlorener Pitch tut weh. Aber besser, er geht an die Agentur in Friedrichshain oder eine Etage tiefer (das wäre natürlich am allerbesten) als nach Düsseldorf oder in Social Media. Jeder Etat an einen unserer Mitbewerber ist ein Gewinn für die Disziplin PR und den Standort Berlin. Für die Entwicklung von PR-Profis und die Infrastruktur. Woher sollen denn die Mitarbeiter kommen, die früher oder später auch mal bei uns landen?

Melanie Sommer-Joest, Sandra Ratsch, Michael Hetzinger und Anne Fischer wurden 2012 Teil der erweiterten Geschäftsleitung. (Foto: Tom Wagner)

Apropos Mitarbeiter. Wusstest Du, dass praktisch das gesamte Führungsteam bei Schröder+Schömbs PR “homegrown” ist? Anne Fischer hat als Volontärin angefangen. Anna Hansen und Melanie Sommer-Joest als Praktikanten. Wie auch unser Geschäftsführer Michael Hetzinger. Alle sind schon mindestens 15 Jahre “SchröSchös”. Mehr als 10 Jahre dabei sind Katharina, Patrick, Volker und Winnie. Herbert Schmitz stieß ebenfalls vor 15 Jahren dazu und ist inzwischen zum Partner geworden. Das ist ein starkes Rückgrat, das für Kontinuität sorgt in der Kultur und eine gute Verteilung in der Führung. Viele von denen waren zwischenzeitlich ein- oder zweimal in Elternzeit. Melanie hat kürzlich eine Pause gemacht und drei Jahre in L.A. gelebt, Katharina und Volker haben zwischendurch in anderen Unternehmen gearbeitet. Wir verabschieden alle großzügig mit Geschenken, guten Wünschen, halten die Tür offen — und freuen uns, wenn sie wiederkommen. Was bekanntermaßen regelmäßig geschieht.

Was wurde eigentlich aus den Verkaufsverhandlungen? Die verliefen im Sande, weil sich nach 2001 die Prioritäten leicht veränderten. Wachstum durch Akquisition war vom Tisch. Überleben war angesagt. Für Elmar und mich am Ende Glück. Wir blieben inhabergeführt und unabhängig, hatten aus der Zusammenarbeit und den Verhandlungen (immerhin zwei Jahre) einiges für die weitere Professionalisierung gelernt, mussten uns aber nicht unrealistischen Wachstumsvorgaben unterwerfen, sondern konnten unsere Agentur, unser Business und unsere Leben weiterhin selbstbestimmt gestalten. Die Flaute war irgendwann wieder vorbei und mit der ersten Brise kam wieder Wind in die Segel. Die nämlich waren noch oben. All unsere Kunden existierten noch — pausierten zwar, aber sobald es wieder losging, waren alle wieder am Start und wir marschierten weiter und munter durch die 00er Jahre.

Wer ist eigentlich Herr Schröder?

Die gingen an mir zunächst ein wenig vorbei. Ich lernte auf brutale Weise, dass das Leben nicht nur Parties und Reisen (PR) ist. Mein neues Projekt war die Gründung des Info-Portals “Freunde fürs Leben e.V.” gemeinsam mit Diana Doko und einer handvoll Freunden. Aufklärung über Suizid und Depression. Meine Form der Trauerbewältigung. Ich und Verein, wer hätte das gedacht? Fortan setzte ich neue Prioritäten und wollte Arbeit und Leben neu aufteilen.

Zugunsten von Leben, aber auch neuen Themen und Herausforderungen. Denn wenn man eine Agentur gründet, weist der Job nach einigen Jahren zuweilen große Ähnlichkeiten mit dem eines Hausmeisters auf. Zum anderen sind die Weiterentwicklungsmöglichkeiten limitiert, wenn man irgendwann alles mal gemacht hat. “Wie sind eigentlich meine Perspektiven hier?”, möchte man dem Kollegen entgegnen, der einem im Jahresgespräch gegenüber sitzt. Und dem Praktikanten, der erstmal für ein Jahr nach Australien geht, traut man sich gar nicht zu sagen, dass man noch nie in Australien war …

Miriam, Elmar und Gerald (Foto: Tom Wagner)

Miriam Strothjohann übernahm Ende 2002 als Geschäftsführerin. Ich reduzierte meine Tätigkeit (und mein Gehalt) um knapp die Hälfte. In den folgenden Jahren reiste ich eine Menge. Zuerst drei Wochen nach Kapstadt. Dann nochmal. Bis ich zwei Monate in Australien verbringen würde, sollte es noch weitere 12 Jahre dauern. Die langen und weiten Reisen halfen dabei, das Team und die neue Führung von mir abzunabeln. So konnten niemand mal eben anrufen oder mich zum Termin einbestellen und mussten die Aufgaben selbständig bearbeiten. Ich meinerseits lernte, sie machen zu lassen.

Je mehr ich plante, mich langfristig operativ herauszuziehen, umso wichtiger war, dass ich nicht darauf bestand, dass trotzdem alles nach meinen Wünschen zu passieren hatte. Ich musste aushalten, wenn Dinge anders liefen als ich sie gemacht hätte. Liegt ja in der Natur der Sache: weil sie ja von jemand anderem gemacht werden. Und das letzte, was man hören will, ist: “Dann mach es doch selbst, am Ende läuft es doch eh wie Du wolltest.” Dann bewegte man sich wieder rückwärts auf dem Weg, sich weg zu organisieren. Wahrscheinlich ist das einer der häufigsten Fehler, wenn Unternehmer denken, ohne sie liefe nichts und man könne nicht auf sie verzichten.

Alexandra ist heute Partnerin und Geschäftsführerin der Berlin Food Week

Der andere Fehler ist die Annahme, dass die Kunden nur an einem selbst hängen. Noch dazu, wenn die Agentur den eigenen Namen trägt. Seit 20 Jahren schon fragt bei Schröder+Schömbs PR niemand mehr, wer “Herr Schröder” ist. Und inzwischen seit längerem auch keiner mehr nach Herrn Schömbs. 2010 mit 45 Jahren habe ich meinen Schreibtisch zusammengepackt und nach Hause verlegt, 2015 schließlich nicht mehr als Geschäftsführer auf dem Briefpapier firmiert. Weitere fünf Jahre später 2020 zum 30. Geburtstag wird die Agentur erfolgreich von einem tollen Management-Team geführt. Wichtige Stabsaufgaben haben wir auf eine handvoll langjähriger Mitarbeiterinnen verteilt. Die Geschäftsführung übernahmen Michael und Herbert, der in diesem Zuge auch als Partner in die Agentur einstieg.

Der Wechsel war geglückt. Fast 10 Jahre hatte es gedauert und ging nicht ohne Planung und Vorbereitung, viele Workshops, Freunde und Mentoren. Aber wenn wir heute Kunden wie Netflix oder Spotify gewinnen, kenne ich weder Briefings, noch die Präsentation oder Ansprechpartner. Ich darf mich nun Advisor nennen und habe den Kopf frei, um mir Gedanken um das Große und Ganze und die Dinge zu machen, für die sonst keine Zeit bleibt.

Strategische Allianzen und Joint Ventures, Impulse in Richtung Selbstorganisation oder Nachhaltigkeit, Support und Mediation bei Gründungen und wenn’s mal klemmt. Mit der Berlin Food Week GmbH und der Event-Agentur hundertsieben GmbH haben wir in den letzten Jahren nicht nur unser Business in zwei wichtige Richtungen erweitert, sondern Alexandra Laubrinus und Michael Hetzinger als Partner gewonnen. In diesem Jahr startet endlich auch das Thema Corporate Venturing mit dem ersten größeren Investment in ein Start-up (es geht um Performance Marketing mit Influencern).

Bürohunde, Waschtage, Home Office und kein Ende in Sicht

Bis wir das richtige Team und Setting für solche Initiativen zusammen hatten, hat es lange gedauert. Die Agentur (und das Führungsteam) hatte irgendwann eine Größe und Komplexität, dass man schon dachte, man arbeitet in einem Konzern-Tanker, dessen Kurs man so schnell nicht mehr ändert. “Fail fast”, einfach mal machen und Experimente, waren schwierig. Bedenken über Bedenken. Da war ich froh, dass ich inzwischen den Freiraum hatte und unabhängig agieren konnte. Ich hatte schon einen Verein gegründet, war bei Zucker.Kommunikation beteiligt und startete Ende der 00er-Jahre als Rookie-Business-Angel durch. Beteiligung an einer Social-Media-Agentur? Machte ich dann eben selbst (mit TLGG hatten die Agentur den besten strategischen Partner und ich einen tollen Exit). An einem Daily-Newsletter-Magazin, einem Food-Startup, Techstars beteiligen? Ich machte und sammelte so neue Expertisen und ein Netzwerk, die ich gut in die Agentur einbringen kann.

Eine beeindruckende Sammlung VHS-Kassetten mit TV-Clippings zieren das Loft-Office des jungen PR-Managers

Was für ein Ritt durch die Jahrzehnte! Was so harmlos und unschuldig mit jungen PRlern an zwei Macintosh SE30 begann und nach straight-forward klassischer Öffentlichkeitsarbeit aussah (mit Pressekonferenzen und guten Journalistenkontakten), sollte schon kurze Zeit später in die erste von vielen Kurven einbiegen. Und die Straße, auf der wir uns bewegten, sollte nie wieder geradeaus gehen: Das Internet hielt Einzug, Email beschleunigte alles, wir priesen das WWW an. Gleichzeitig wurde aus Öffentlichkeitsarbeit Trend- und Event-Marketing, Jugendmarketing. Die Blogger kamen und machten den Journalisten Konkurrenz. Wir priesen “Online-Medien” an. Für Jugendmarketing waren wir inzwischen zu alt und schrieben unauffällig “Junges Marketing” darüber. Dann kam Social Media und ab 2008 wurde ich in Präsentationen vorgestellt als der mit dem “Steckenpferd Facebook”, der am besten erklären kann, wo die Gespräche, bei denen man dabei sein will, künftig geführt werden. Neulich dann wurden aus den guten alten “Opinion Leadern” Influencer, und selbst die nennen sich inzwischen nicht mehr so (sondern Content-Creator). Schröder+Schömbs PR sind dafür aufgestellt, weil Wandel und Innovation können wir inzwischen. Und knackige Herausforderungen warten hinter jeder Ecke.

Mit denen ist gut Kuchen essen. Foto: Tom Wagner

Aktuell sind das New Work, die Suche nach guten Leuten, die vielzitierten Millennials. Diesmal wandeln sich nicht Medien und Kanäle, Zielgruppen und Technologie, sondern die Organisation selbst. Das fällt uns nicht schwer. Viele der Puzzleteile halten wir schon längst in den Händen. Eine soziale Kultur, unsere Mitarbeiter, nachhaltiges (unternehmerisches) Handeln, partnerschaftlicher Umgang mit unserem Netzwerk und unseren Stakeholdern gehörten von Anbeginn zu unseren wichtigsten Werten. Transparenz und Offenheit sind Teil unserer DNA. Der Weg von “Familie” hin zu einem aktualisierten, ganzheitlicheren Modell geschieht seit vielen Jahren fließend. Die Hunde auf den Agenturfluren sind lebender Beweis.

”Unsere Mitarbeiter haben ein Leben neben der Arbeit, Familie und Beziehungen. Wir ermöglichen ihnen, an diesem Leben teilzuhaben und helfen dabei, Konflikte mit ihrer Arbeit zu vermeiden” — Über die Kultur bei Schröder+Schömbs PR”, 2010

On the way to Good Work

Unsere Kultur-Thesen stehen seit 10 Jahren für jedermann nachvollziehbar im Agentur-Handbuch. Dort sind auch die Prozesse für Überstunden oder Event-Einsätze geregelt. Die werden nämlich ausgeglichen oder vergütet. Es gibt Sabbaticals, Teilzeit sowieso und seit kurzem “Waschtage” — ein zusätzlicher Tag alle zwei Monate, den man sich nehmen kann für Besorgungen und private Termine. Der war ursprünglich jeden Monat, ist aber dank Homeoffice und totaler Arbeitszeitflexibilisierung praktisch schon wieder überflüssig. Zum Ausgleich gibt es jetzt 30 Urlaubstage für alle. Und wer weiß, vielleicht landen wir auch mal beim 6-Stunden-Tag oder der 4-Tage-Woche. Die Zeit und Flexibilität gewinnen wir durch schlankere Prozesse, Verteilung von Rollen und digitalen Tools wie der “Cloud”, mit deren Hilfe wir viel einfacher Remote-Work und Home Office anbieten können. Auch mal über längere Zeit.

Foto: Tom Wagner

Das ist der Weg, auf dem wir uns befinden. Wir wollen unermüdlich an einer Organisation bauen, auf die wir stolz sind und die uns selbst Spaß macht. Das war schon immer so. Wir wollen unsere Sache so gut wie möglich machen. Für unsere Mitarbeiter und unsere Umwelt. “Neue Arbeit”, “Nachhaltigkeit” und “Mindfulness” stehen auf unserer Agenda für “Good Work”, die wir gern teilen. Denn mit unserer Kultur und unserer Haltung wollen wir inspirieren und anstiften. Unsere Mitarbeiter, Partner und Freunde. Damit es sich verbreitet. Dass Spaß, Haltung und Sozialverträglichkeit sich mit wirtschaftlichem Erfolg verträgt. Danke an alle Weg-Gefährt*innen “on the way to Good Work”.

PS:

Ich lasse keine Gelegenheit aus, mich für dieses Video zu meinem 50. Geburtstag zu bedanken: Danke, SchröSchös!

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Gerald Schömbs

Professional communicator and networker, loves snowboarding, diving, sailing, bbqing, gadgets